Islamisten fordern Kalifat: Faeser bezieht Stellung zur Kundgebung in Hamburg

Mehr als 1000 Islamisten demonstrierten in Hamburg. Sie riefen „Allahu Akbar“ und forderten die Errichtung eines Kalifats. Innenministerin Faeser hält die Demonstration für „schwer erträglich“.

Hamburg, 27. April 2024: Teilnehmer einer Islamisten-Demo halten ein Plakat mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ in die Höhe. 
Hamburg, 27. April 2024: Teilnehmer einer Islamisten-Demo halten ein Plakat mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ in die Höhe. Axel Heimken/dpa

Eine von Islamisten organisierte Kundgebung in Hamburg hat in vielen Teilen Deutschlands Empörung ausgelöst. Am Samstag protestierten nach Angaben der Polizei etwa 1100 Menschen im Stadtteil St. Georg gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und eine angebliche Medienkampagne in Deutschland. Die umstrittene Kundgebung wurde von einem Großaufgebot der Polizei gesichert. Beobachtern zufolge nahmen bei der Islamisten-Demo fast ausschließlich Männer teil. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung Muslim Interaktiv nahe, die als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft ist.

Die einzelnen Parolen und Transparente sollen nun von der Staatsanwaltschaft auf strafrechtliche Relevanz überprüft werden, kündigte Polizeipräsident Falk Schnabel am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“ an. „Fakt ist aber auch, dass unser Grundgesetz nun mal mit dem Blick auf die Versammlungs- und auch Meinungsfreiheit auch extremistische Meinungskundgebungen zulässt“, fügte er hinzu. Das Versammlungsrecht sei so gestrickt, dass es nicht zuerst darum gehe, bestimmte Meinungen zuzulassen oder zu verbieten. „Da sind wir von der Polizei, da ist unser Gesetz neutral“, sagte Schnabel. Es gehe im Versammlungsrecht im Wesentlichen darum, ob eine Versammlung friedlich sei.

Auf Plakaten waren Slogans wie „Deutschland = Wertediktatur“ oder „Kalifat ist die Lösung“ zu lesen. Immer wieder wurden die Demonstranten von den Organisatoren zu „Allahu Akbar“-Rufen („Gott ist groß“) aufgefordert. Redner warfen Politik und Medien „billige Lügen“ und „feige Berichterstattung“ vor, mit denen vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs alle Muslime in Deutschland als Islamisten gebrandmarkt werden sollten.

Faeser: „Islamisten-Demonstration ist schwer erträglich“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte nach der Demonstration ein „hartes Einschreiten“ des Staates bei derlei Veranstaltungen und würdigte die Arbeit der Hamburger Polizei. „Eine solche Islamisten-Demonstration auf unseren Straßen zu sehen, ist schwer erträglich. Es ist gut, dass die Hamburger Polizei mit einem Großaufgebot Straftaten entgegengewirkt hat“, sagte Faeser dem Tagesspiegel.

Faeser erklärte, dass die Sicherheitsbehörden die islamistische Szene im Visier hätten. Nach dem Verbot der Terrororganisation Hamas und der Gruppierung Samidoun würden auch weitere Gruppen beobachtet. „Auch andere Gruppierungen, die emotionalisieren, radikalisieren und neue Islamisten heranziehen wollen, stehen im Fokus unserer Sicherheitsbehörden“, sagte die Ministerin. Das gelte auch für die mutmaßlich maßgebliche Gruppierung bei der Demonstration in Hamburg.

Bundestagsfraktionen fordern härtere Maßnahmen

Auch andere Politiker äußerten sich mit Nachdruck zu der Kundgebung und forderten härtere Maßnahmen und ein Vereinsverbot. „Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle der Welt (Montag). Wer bei einer Demonstration die Abschaffung von Grundrechten wie der Pressefreiheit fordere, erfülle diese Voraussetzung, sagte Kuhle weiter. Wenn möglich, müssten die zuständigen Behörden eine solche Ausweisung auf den Weg bringen.

„Die Gruppierung „Muslim Interaktiv“ steht der verbotenen islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir nahe und wirbt schon seit langem für die Einführung eines Kalifats“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, der Welt. Seit langem fordere man bereits das Verbot von solchen Organisationen und Vereinen, die der Hizb ut-Tahrir nahestünden. Hier sei Faeser aufgerufen, „ein Vereinsverbot so schnell wie möglich umzusetzen“, so die Grünen-Politikerin.

Carsten Linnemann kritisiert Nancy Faeser

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), nannte die Demonstration eine „Schande“. Wer gegen Deutschland als angebliche „Wertediktatur“ hetze und nach einem Kalifat rufe, „der hat bei uns nichts zu suchen und muss das Land so schnell wie möglich verlassen“.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte derweil Bundesinnenministerin Faeser. „Weltweit werden viele Millionen Menschen von islamistischen Regimen brutal unterdrückt und fliehen oft genug auch davor ins freie Europa. Umso skandalöser ist es, dass in Hamburg schon wieder Hass-Demonstranten für ein Kalifat auf die Straße gehen – trotz vollmundiger Ankündigungen von Innenministerin Faeser, dass so etwas nicht toleriert werde“, sagte er der Bild am Sonntag. Der Rechtsstaat müsse sich „endlich zur Wehr setzen und Stärke zeigen“.

CDU-Abgeordneter fordert Verbot von Muslim Interaktiv

Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter). „Ein Verbot von Muslim Interaktiv ist überfällig! Die Ampelkoalition darf den radikalen Islam nicht länger verharmlosen.“ Der Psychologe und Islam-Experten Ahmad Mansour schrieb auf X, ehemals Twitter: „Spätestens seit dem Mai 2021, während der Eskalation zwischen Israel und Gaza, hätten die Entscheidungsträger in Hamburg von ‚Muslim Interaktiv‘ Kenntnis haben müssen. Jetzt, im Jahr 2024, kann niemand mehr von Unwissenheit sprechen“.

Der Vorsitzende der Freien Wähler und bayerische Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger, erklärte auf derselben Plattform: „Eine solche verfassungsfeindliche Kundgebung zur Abschaffung von Demokratie und Menschenrechten gehört unverzüglich aufgelöst, die Personalien der Teilnehmer festgestellt und diese nach Möglichkeit abgeschoben.“

Hamburg: Bei der Islamisten-Demo nahmen fast ausschließlich Männer teil. 
Hamburg: Bei der Islamisten-Demo nahmen fast ausschließlich Männer teil. Axel Heimken/dpa

Die deutsch-jesidische Journalistin und Menschenrechtlerin Düzen Tekkal schrieb: „Was für verstörende Bilder. Mitten in Hamburg skandieren diese Extremisten, dass das Kalifat die einzige Lösung sei. Diesen Menschen geht es weder um Gaza, noch um das Leid der PalästinenserInnen. Sie treiben einen Spalt durch unsere Gesellschaft und Demokratie. Das muss aufhören.“ Die Kurdische Gemeinde Deutschland postete Aufnahmen von der Demonstration und forderte: „Schützt unsere Demokratie!“

Muslim Interaktiv hatte bereits Ende Oktober vergangenen Jahres trotz Verbots eine Demonstration in St. Georg organisiert. Im Februar 2023 mobilisierte die Gruppierung 3500 Menschen zu einer Kundgebung gegen eine Koran-Verbrennung in Schweden.

Guten Morgen, Berlin Newsletter
Vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.